Wie Sprache das Lernen beeinflusst – Teil 1

Wie Sprache das Lernen beeinflusst – Teil 1

Zielgruppengerechte Sprache

Sprache ist ein wesentlicher Bestandteil von Lernen und Wissensvermittlung. Denn über Sprache – geschrieben oder gesprochen – werden Lerninhalte vermittelt. Betriebliche Weiterbildungsangebote sind zudem immer auch eine Form der internen Kommunikation, eine indirekte Ansprache der Mitarbeiter:innen, die man bestmöglich nutzen sollte. Wie kann Sprache im Rahmen von Trainingsangeboten also eingesetzt werden, damit Inhalte vermittelt werden und Lernprozesse nachhaltig gelingen? Dieser Frage widmen wir uns in diesem Beitrag, der Teil der Serie „Lernen & Sprache“ ist.

Bei jedem Projekt stellen wir uns die Frage, wie wir die Zielgruppe am besten anprechen, mit welcher Tonalität die Unternehmenswerte transportiert werden und wie wir Text und Bild sinnvoll verbinden. Wir alle nutzen Sprache täglich, ganz automatisch. Doch wir finden, dass sie mehr Aufmerksamkeit verdient – daher diese Serie zum Thema.

Klare Worte und angemessenes Sprachniveau

Stellen Sie sich vor, Sie möchten lernen, wie man eine Drohne mit Kamera fliegt. Welchen der beiden folgenden Sätze empfinden Sie als hilfreicher, um in das Thema einzusteigen?

A) Um die Drohne einzuschalten, 3 Sekunden den x-Button gedrückt halten.

B) Um die neuartige, leichtgewichtige Drohne aus dem Portfolio der Firma Drohnenspezialist aus Drohnenburg in Betrieb zu nehmen, legen Sie Ihren Finger auf den runden Button, der ein „x“ zeigt und am oberen Rand des Gehäuses zu finden ist, und drücken Sie diesen über einen Zeitraum von 3 Sekunden nach unten.

Vermutlich sind wir uns einig, dass der erste Satz deutlich einfacher zu verstehen und zu verarbeiten ist als der zweite. Dieses Beispiel ist überspitzt, es zeigt jedoch deutlich, wie Sprache im Lernkontext eingesetzt werden sollte: einfach und klar, um es Lernenden leicht zu machen, einen Inhalt zu erfassen. Verschachtelte Sätze oder blumige, schnörkelige Texte eignen sich demnach im Lernkontext nur bedingt.

In der Sprachwissenschaft spricht man vom Sender und Empfänger einer Botschaft, in unserem Fall also eines Lerninhalts. Es ist unsere Verantwortung als Sender (Trainer:innen, Autor:innen etc.) den Lernenden, also den Empfängern, Inhalte sprachlich so aufzubereiten, dass sie ihren Zweck erfüllen. Wir wollen die Lernenden erreichen, und gleichzeitig weder für dumm verkaufen, noch sie überfordern. Das benötigt bei einer heterogenen Zielgruppe sprachliches Fingerspitzengefühl.

Je nachdem, auf welchem fachlichen Niveau sich die Lernenden befinden, also ob sie Anfänger:innen oder bereits Fortgeschrittene sind, können beispielsweise mehr oder weniger Fachbegriffe oder Fremdwörter genutzt werden. Bei komplett neuen Themen helfen reduzierte, sachliche Erklärungen in einfacheren Worten.

Mit Sprache Bilder entstehen lassen

Doch nicht nur das Wie (man etwas sagt), sondern auch das Was (man sagt) zählt. So können Informationen einfach aufgelistet werden, ganz ohne Kontext, in der Erwartung, dass die Lernenden sich diese so einprägen. Doch das ist nicht besonders lernförderlich. Ein äußerst beliebtes Werkzeug in der Wissensvermittlung ist das Storytelling, das gezielte Geschichtenerzählen.

Wenn wir Ihnen von unserem letzten Nordsee-Urlaub erzählen und dabei erwähnen, wie die Sonne unser Gesicht gewärmt, wie sich der trockene Sand weich, warm, aber doch auch körnig angefühlt hat und wie die Möwen kreischten, wenn sie vorbeiflogen, sehen Sie unsere Erzählung vermutlich bildlich vor sich. Möglicherweise können Sie sogar (nach-)fühlen, was wir beschreiben, weil Sie selbst schon einmal Urlaub am Meer gemacht haben. Unbewusst bewegen Sie ihre Finger, als wäre der Sand dazwischen. Es passiert etwas mit Ihnen.

Nicht jede:r wird exakt dasselbe Bild vor sich sehen, ziemlich sicher sogar nicht, aber jede:r entwickelt eine eigene Vorstellung und ist so mittendrin in der kleinen Geschichte. Es findet Verarbeitung statt, der Text erzeugt Bilder in Ihrem Kopf und diese lassen sich besonders gut abspeichern. Und genau darum geht es doch im Kontext von Lernen – dass etwas wie von selbst im Kopf bleibt. Je mehr Sinne dabei angesprochen werden, desto höher ist die Bereitschaft unseres Gehirns, diese Information zu verarbeiten. Eine bildhafte Sprache, eingebunden in eine interessante oder spannende Geschichte, ist für unser Gehirn ein wahres Festmahl. Wenn sich die Lernenden von einer Geschichte auch noch angesprochen fühlen, dann gelingt gehirngerechtes Lernen noch besser.

In unserer Arbeitspraxis bedeutet das beispielsweise, dass wir mit realitätsnahen Beispielen aus dem Alltag der Zielgruppe arbeiten und diese so beschrieben sind, dass sich jede:r angesprochen fühlt. „Hey, das hab ich doch auch schon mal erlebt!“ Die meisten Unternehmen haben eigene Sprachbesonderheiten, wie Abkürzungen oder Worte, die außerhalb dieses beruflichen Kontexts kaum genutzt werden. Auch diese sprachlichen Feinheiten aufzugreifen, darauf kommt es an!

Vermeintliche Kleinigkeiten können den Weg versperren

Genauso wie Sprache Bilder erzeugen, jemanden amüsieren, berühren oder zum Denken anregen kann, so kann sie irritieren. Im Lernkontext ist es deshalb umso wichtiger, Worte sensibel zu wählen. Dazu gehört beispielsweise eine inklusive Sprache, die alle Menschen, also sowohl Männer als auch Frauen und alle anderen sozialen Geschlechter einschließt. Auch die Frage nach dem Du oder Sie, sollte nicht einfach abgetan werden. Wichtig ist hier, die Gewohnheiten der Lernenden in den Mittelpunkt zu stellen. Sind sie eher mit einem Du oder Sie von Unternehmensseite aus vertraut?

Wenn ich als Lernende:r immer wieder von sprachlichen Stolpersteinen aufgehalten werde, lenkt das vom eigentlichen Lerninhalt ab. Sprache sollte sich immer natürlich anfühlen und für Lernende authentisch sein.

Worte schaffen Wahrheiten

Auch wie wir über uns selbst sprechen, beeinflusst unser Denken immens. Jemand, der immer wiederholt, dass er etwas nicht kann, wird weniger erfolgreich sein als eine Person, die weniger hart mit sich ins Gericht geht. Man spricht hier von einer selbsterfüllenden Vorhersage: Mein Denken stößt unbewusste Verhaltensänderungen an, die dazu führen, dass sich meine Erwartung erfüllt. Und das funktioniert nicht nur im Negativen. Starten wir beispielsweise zuversichtlich und offen in einen neuen Lernkontext und werden womöglich noch durch den:die Trainer:in bestärkt, wirkt sich das deutlich auf den Lernerfolg aus.

Wir haben die Lernenden und ihre Bedürfnisse im Blick, wenn wir unsere Trainings entwickeln. Und wir sind uns des vermeintlich kleinen Bausteins Sprache bewusst: Einzelne Worte können großes bewirken. Ist dieses Thema für Sie interessant? Dann freuen Sie sich auf weitere Artikel der Rubrik „Lernen & Sprache“.

Kontakt